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Hermann

19. Mai 2012

In den Neunzigern kriegte ihn jeder, der nicht glaubhaft machen konnte, daß er keinen festen Wohnsitz hat. Die Beziehungen verliefen unterschiedlich glücklich, aber der Anfang war immer gleich: Ach, du hast noch keinen Hermann? Super, du kriegst einen von mir.

Und dann saß er in seinem Tupper auf der Küchenfensterbank oder an einem anderen mäßig kühlen Ort und stellte Ansprüche: Hunger. Kalt. Mal durchkneten. Und, gell, bloß kein Metall! Ein bißchen war er wie ein Tamagotchi oder wie die Urzeitkrebse aus der Yps, falls das noch jemand kennt, nur daß man dann am Ende auch was davon hatte außer der Erfahrung.

Am Ende nämlich kam Hermann in den Ofen, und es wurde ein wunderschöner Kuchen daraus. Das heißt, noch davor wurde er gevierteilt: ein Teil für den Kuchen, drei Teile für Freunde. (Ach, du hast noch keinen Hermann? …) Und so wurde er unsterblich.

Heute hat er eine Webseite [2020: gibt es nicht mehr], aber früher kam der Hermann mit Gebrauchsanweisung auf Papier. Ich habe meine alte gefunden: stilecht von Hand geschrieben und noch nicht bis zur Unlesbarkeit vervielfältigt; eine Zierde für jede Kühlschranktür. Falls also jemand gerade einen Hermann zur Hand hat — voilà:

Hermann-Anleitung zum Ausdrucken.

(Der Kuchen war übrigens, wenn ich mich recht erinnere, sehr anständig.)

53 Kommentare
  1. 19. Mai 2012 19:07

    Das muss eine spezielle Ecke von Deutschland sein, wo Herrmann aufging. Beginnst Du jetzt zu backen?

    • 20. Mai 2012 18:58

      Nee, ehrlich, ich bleibe beim Brot. Aber für Anleitungen hatte ich immer schon ein Faible. .)

  2. anglogermantranslations permalink
    19. Mai 2012 20:05

    Ach, deeeen Hermann meinst Du. Ich dachte schon, jetzt kommt was über die Schlacht im Teutoburger Wald (simserimsimsimsimsimmmmm…). Wie viele Hermänner ich insgesamt gebacken und verputzt habe, könnte ich jetzt gar nicht mehr sagen.

    • 20. Mai 2012 18:59

      Schädderädäng! Wie ist denn Deiner geendet? Irgendwann aufgebacken? Oder ist er während einer Urlaubsreise umgekommen (so bei uns)?

    • anglogermantranslations permalink
      20. Mai 2012 19:05

      Er ist nicht umgekommen – als wir verreisen wollten, haben wir ihn einfach restlos verbacken.

  3. 19. Mai 2012 22:01

    Ach, der Hermann! Als ich eineinhalb Jahre in einer 4er-WG zwischen Münster und Osnabrück lebte (als Dorfkommune verschrien, dabei waren wir zwei ganz und gar harmlose Paare), war Hermann (neben ein bis drei Katzen) einer unserer weiteren Mitbewohner. Komisch, dass der Kuchen immer schmeckte. Mit der Auflösung der WG verschwand auch Hermann. Ich weiß gar nicht, wer ihn entsorgt hat…

  4. 19. Mai 2012 22:03

    Oh, du hattest ihn erst in den 1990ern? Bei uns gab es ihn in der 2. Hälfte der 1980er, ca. 1986 oder 1987… Wir hegten ihn auch eine Weile, dann hatten wir genug von ihm und backten alle Teile und Ruhe war im Kühlschrank… endlich ;-)

    • 19. Mai 2012 22:22

      Stimmt, wir hatten ihn auch in den 80ern!

    • 19. Mai 2012 22:28

      Ah… jetzt machen wir eine Kartierung, wann der Herrmann wo aufgetreten ist… horizontale Stratigraphie!

      Also: Richensa 1986 in OWL!

  5. 19. Mai 2012 22:58

    Rotewelt 1983 im Münsterland!

    • Zyriacus permalink
      19. Februar 2013 14:34

      Kann ich toppen – irgendwann in den 60er Jahren war das; aber die Hausfrau verlor bald die Freude an diesem anspruchsvollen Mitbewohner und so wurde dann zur Mexico-Olympiade der letzte Hermann gebacken.

    • 19. Februar 2013 18:20

      OK. Gewonnen. Das muß der Ur-Hermann gewesen sein.

  6. 19. Mai 2012 22:58

    Aber ich komm auch aus Ostwestfalen…

    • 20. Mai 2012 19:03

      Haha, Rich und rotewelt, eine Hermann-Wander-Karte — ausgezeichnete Idee! Also, 1993 hatte er’s bis Mainz an die Uni geschafft. Bei uns hat er’s etwa drei Zyklen ausgehalten; dann sind wir weggefahren …
      (Echt, Ihr kommt beide von der gleichen Ecke wech? Welt is klein, weiß‘ Bescheid?)

  7. 20. Mai 2012 0:02

    kann mich gut erinnern, so eine Art Rosinenbrot war sehr lecker aus Hermann

    • 20. Mai 2012 19:04

      Und jetzt noch Orte und Daten her, für die Kartographie! ,) (Vielleicht hätte er besser Attila gehießen, so als Invasor …)

    • 21. Mai 2012 2:48

      Potsdam, 1980er Jahre … eine liebe Nachbarin kam damit an, ihr Nachname: Hermann

    • 21. Mai 2012 11:03

      Oh! Da haben wir am Ende den Ur-Hermann??

  8. 20. Mai 2012 18:34

    Das Yps wird es demnächst wieder geben. Diesmal aber für Erwachsene. Vielleicht ist beim ersten Heft ja ein pulverisierter Hermann drin, den man in Wasser auflösen kann.
    Ein Urzeit-Hermann, sozusagen.

    • 20. Mai 2012 19:06

      Naja, so ganz sinnfrei mögen’s ja Erwachsene gemeinhin nicht. Was Eßbares wäre da vielleicht schon ein Schritt in Richtung Kundenbindung. :)

  9. anglogermantranslations permalink
    20. Mai 2012 19:14

    Wegen der Kartografie … Er hats auch nach Amerika geschafft. Und als Amish Friendship Cake (alias Bread) dort sein Unwesen getrieben. Und wenn er nicht verdorben ist, dann west er dort noch heute.

    • 20. Mai 2012 21:58

      Oh, das ist interessant –! Ob er als blinder Flugpassagier in einem ostwestfälischen Koffer saß? Oder ob die Amish ihn Anno dunnemals aus der Schweiz mitgebracht haben?

    • anglogermantranslations permalink
      20. Mai 2012 22:39

      „Ob er aber über Oberammergau oder aber über Untergammergau …“

  10. meme permalink
    21. Mai 2012 0:12

    Bei mir muß es auch so etwa 1985 gewesen sein, später kamen weitere Wellen.Lange nach der letzten habe ich mir ein Buch gekauft, mit einem Rezept für den Hermann-Ansatz – macht unabhängig von freundlichen Gebern ;-) Geschmeckt hat es immer super, vor allem konnte man sehr unterschiedliche Kuchen draus backen.

    Viel schlimmer fand ich die Geschichte mit dem Wasserkefir, der sich schon beim Zusehen vermehrte – glibberig, durchsichtig. Und man mußte ihn ständig teilen, mit ungespritzten Zitronen und teuren Feigen füttern, damit er ein „unheimlich gesundes“ Getränk produzierte. Hat aber auch ganz gut geschmeckt, war nur sehr aufwändig mit den vielen gärenden Weckgläsern auf dem Küchenschrank.

    Gegend auch Münsterland – da müssen wohl innovative und leidensfähige Hausfrauen gewirkt haben – damals.

    • 21. Mai 2012 11:05

      Au-ha. Den Wasserkefir mußte ich erst nachschlagen. Der ist zum Glück an mir vorübergegangen …

    • meme permalink
      23. Mai 2012 10:13

      Interessanter Link – jetzt weiß ich auch, warum ich nach dem Genuß immer so beschwingt war ;-)

  11. 22. Mai 2012 8:57

    Von welcher Ecke kommst du denn wech, Lakritze? ;-)

    • 22. Mai 2012 9:40

      Aus dem Südwesten. Von der Existenz Ostwestfalens habe ich erst spät im Leben, aber dafür umso eindrucksvoller erfahren. Im Exil pflegen Ostwestfalen ja gerne ein gewisses Brauchtum, so mit »wechkommen«, Leberwurst mit Süßem und Beständigkeit … ,)

    • 22. Mai 2012 9:48

      Ja, die meisten Ostwestfalen sind bodenständig und ziehen auch nicht gern wech. Ich bin sofort nach dem Abi geflohen und die Region ist für mich eine der unwirtlichsten, die ich in Deutschland kenne. Niemals mehr möchte ich zurück, war dort auch nie verwurzelt, zumal meine Eltern auch nur zugezogen waren, und spreche den Dialekt nicht („wech“ sagt man auch in Osnabrück, wo ich lange lebte ;-)). Ich bin nur immer erstaunt, im Netz abundzu ausgerechnet Menschen aus dieser wenig weltoffenen Gegend zu stoßen…

    • 22. Mai 2012 17:39

      Och, die, die mir bislang begegnet sind, fand ich eigentlich alle nett. Selektive Wahrnehmung? ,)

  12. 22. Mai 2012 15:35

    In den 80ern war Herbert bei uns in aller Munde!

  13. 30. Mai 2012 21:47

    Ach der Hermann … der deutscheste Deutsche…
    Ich würde sagen, der hat bei uns schon Anfang der 80er seinen Auftritt. In Stuttgart.
    Aber wo kommt er her, wer ist der Ur-Hermann??

    • 31. Mai 2012 9:33

      Man müßte eine Landkarte erstellen, mit den ungefähren Jahreszahlen. Das sähe wahrscheinlich aus wie eine Epidemie … Ob das eine Doktorarbeit in Soziologie gäbe?

  14. 31. Mai 2012 11:26

    Wurde da nicht ein bißchen viel Brimborium gemacht um einen simplen Hefeteig? Die Warnung vor Metall zumal, das ist reiner Kokolores. Aber so was gehört wohl zur, äh, Folklore dazu.

    Mein Lieblingsgimmick von Yps war so ein Heißluftballon aus schwarzer Kunststoffolie, der in der Sonne zu schweben begann. Großartig!

    • 31. Mai 2012 11:50

      Brimborium gehörte zwingend dazu! »Wenn du diesen Brief nicht bis zum nächsten Vollmond an dreizehn Freunde weitergegeben hast, dann wird [hier weltumspannende oder persönliche Katastrophe einfügen].«
      An den Yps-Heißluftballon glaube ich mich zu erinnern. Der Jörg aus unserer Straße wird einen gehabt haben, zum Angeben. Ich habe lediglich mal Ahornsamen aus Papier und Steinchen nachgebastelt, weiß aber nicht mal mehr, ob sie dann wirklich propellern konnten …

  15. B-Wederwill-Team permalink
    19. November 2013 22:28

    Ich hatte einen Hermann. Mein erster Mann hieß so und deshalb musste ich beim Lesen schmunzeln, denn der Artikel hat fast in allen Punkten gepasst…..Und nebenbei, meine Eltern hatten Mitte der siebziger Jahre eine Kefirkultur von Freunden bekommen. Die war wohl auch aufwendig, denn nachdem ich die Stammlösung aus Versehen ausgetrunken habe, haben sie sich keine neue Kultur zugelegt….
    Beste Grüße,
    Birgit Marienthal, Wederwill-Team

    • 23. November 2013 11:20

      Oh, unter diesem Gesichtspunkt liest sich das mit dem Hermann wirklich anders, ganz anders …
      Stammlösung aus Versehen ausgetrunken — das klingt nach einem angemessenen Ende für einen Wasserkefir.
      Dankesehr fürs Vorbeischauen!

  16. 30. Januar 2014 13:04

    Yeah, die Yps-Urzeitkrebse züchtete ich auch! nur der Hermann ist leider an mir vorbeigegangen… schöner Text!

    • 30. Januar 2014 13:12

      Leider –? Also, da läßt sich doch sicher was machen — er ist wieder im Umlauf. Niemand muß ein Leben ohne Hermann führen! (Ich habe, ähem, vor drei Wochen einen abgelehnt.)

  17. 27. April 2014 20:25

    Ich habe mich auch in den 80ern vor Hermann weggeduckt. Inzwischen lebe ich offenbar in Hermann-freien Milieus.

    • 27. April 2014 20:40

      Ich bekomme gelegentlich einen angeboten; ich trete ihn gern nach Berlin ab –!

  18. 26. Oktober 2014 18:35

    Ach….ja, der Hermann. Ich hatte auch einen und alle Kuchen von und mit ihm schmeckten absolut großartig. Da alle meine Freundinnen auch einen hatten, ernährten wir uns eine Zeitlang hauptsächlich von diesem herrlichen Kuchen. Bis dann die Diät-Arobic-Geschichte anfing und wir uns in hautenge bunte Strampelanzüge zwängen mussten. Da wurden dann alle Hermanne aufgebraucht.
    LG von Rosie

    • 26. Oktober 2014 18:57

      Hahaha! Großartig. Aerobic — gesund für alle, nur für Hermann tödlich. (Es gibt ihn wieder. Ich habe schon zweimal abgelehnt.)

    • 26. Oktober 2014 19:05

      Ich glaube, ich würde ihn nehmen.

  19. 19. April 2015 20:04

    Hab ich wohl mehr verstanden als gedacht :D
    1995 im Westen Österreichs, btw.

  20. 8. August 2016 12:26

    ich dachte erst an den kefirpilz. den gab es mal bei meinen eltern. das war so ekelig…. irgendwann ist er im klo gelandet. hermann ist mir nie untergekommen. tolle geschichte und danke fuer den link!!!

  21. 16. Januar 2018 16:07

    Hermann lebt noch :D

    Ich wusste gar nicht, dass der so alt ist -vor ein paar Jahren (2013 oder so) ging der an meiner Schule rum

    • 16. Januar 2018 22:26

      Gut zu wissen — Hermann kommt nicht um! Danke!

  22. Fanni permalink
    26. Mai 2019 1:26

    Moin,
    Ende der 70er, Anfang der 80er war Hermann bei uns (Salzgitter) eine wahre Seuche. Verschlimmert wurde dies durch Tupperpartys (meine Mutter war Beraterin). In den 90ern konnte ich ihm (er hieß dann plötzlich Manfred) geschickt ausweichen. Ne – ehrlich, der Kuchen war lecker, aber stets und ständig den gleichen Kuchen essen war langweilig. Ca. 2005 flackerte er noch mal auf – wieder als Hermann, seitdem ist irgendwie Ruhe – bis heute. Heute habe ich bewusst nach Hermann gesucht, weil mein Sohn (aktuell gerade in USA in Ausbildung zum Piloten) und Hobbybäcker endlich sein Care-Paket bekommen hat und wieder fleissig backen will – findet der arme Kerl doch keine Hefe dort (oder weiss nicht, wo er suchen muss) und mit Frischkäse oder Quark sieht es auch schlecht aus da, Buttermilch soll scheusslich schmecken. Nun hat er gute deutsche Trockenhefe bekommen und anständiges Roggenmehl und zum Überleben Nutella. Und auf Mamas Rat hin, hat er sich gerade einen Hermann angesetzt – und neben den Lüfter vom Laptop gestellt und das Ding wächst wie irre….nach paar Stunden schon isser verdoppelt.

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