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Ein Mistkäferleben

13. September 2012

Der Waldweg ist voll von ihnen; der schwarze Glanz ihrer Flügeldecken fällt ins Auge. Zumeist kreuzen sie den Weg, aber noch viel öfter liegen sie tot auf dem Rücken und zeigen ihre schillerndblaue Unterseite. Hübsch sieht das aus, wie zersprungene Edelsteine.

Ein (so nehme ich an) Waldmistkäfer.

Beugt man sich zu einem solchen schwarzen Pilger hinab, kann man seine Mühen ermessen: von Stöckchen über Steinchen bis zu Blättchen und Nädelchen. Der Käferpanzer macht auf dem Untergrund winzige Schleifgeräusche. Unverdrossen schreitet das Insekt voran, wie aufgezogen verfolgt es stracks sein Käferziel.

Auch das habe ich gesehen, das Schloß, den Gral, das Paradies, Ziel aller Wünsche, Lohn jeder Mühe: ein Haufen faseriger Pferdeäpfel auf dem Reiterpfad.

Eldorado, Schlaraffenland, The Place To Be.

Hier entfalten die stoischen Käfer hektische Betriebsamkeit. Sie krabbeln in wirrer Eile unter- und übereinander, sie schwirren sogar blitzblau durch die Luft und lassen sich (nicht sehr zielsicher) fallen, um nur ja ein Plätzchen im Dung zu ergattern.

Dort finden sie auch oft ein Ende, etwa unter dem Huf des nächsten Pferdes.

Warum aber so viele von ihnen einfach so, ohne erkennbaren Anlaß oder äußere Beschädigung, auf dem Rücken liegen und sterben, habe ich nicht herausfinden können. Sind sie vielleicht krank? Sollte das Design des Käferpanzers so tödlich sein? Gibt es etwa boshafte Wesen, die sie auf den Rücken drehen?

Das war’s.

Ich habe keine Ahnung.

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22 Kommentare
  1. 13. September 2012 21:01

    Liebe Lakritze,
    ein Text, der mir sehr gefällt, und die Fragen darin gefallen mir auch; ich stelle sie mir manchmal, wenn ich die, die zappelnd in die Herbstsonne zu starren scheinen, dann doch ankippe. Immer noch. Beziehungsweise wieder: es gab eine Zeit, in der ich nicht dazu kam, weil der alte Rüde schneller war und sie zerbissen hat. Knackknack.
    Fein geschrieben,

    mb

    • 13. September 2012 21:18

      Dank Dir, mb! Ich wußte gar nicht, daß Hunde Insektenfresser sind, aber ich freue mich, daß die Fraktion der Käferkipper größer ist als gedacht! Und jetzt stelle ich mir natürlich noch eine Frage: Ob die schmecken, die Käfer …?
      Mich hat das beinahe Religiöse dieser Insekten fasziniert, im Habitus wie in den Assoziationen (der Scarabäus läßt grüßen). Und dann noch dieses Kapellchen im Wald …

  2. joulupukki permalink
    14. September 2012 11:42

    Hallo Käferflüstererin!
    Es gibt in Yoga ja eine Stellung, die nennt sich „Dead Bug“ (andere nennen sie aber auch „Happy Baby“, was mich persönlich immer etwas irritiert), also wer weiß, ob du die kleinen blauen Yogis da nicht vielleicht bloß beim Einzug ins Nirvana gestört hast? Aber wenn du ihren Panzer scharren hören kannst, dann hättest du sie eigentlich auch fluchend vondannen ziehen hören müssen („na super, und auf Erleuchtung wird g’sch***, oder was? $%/&§“), sofern meine These stimmt …

    • 14. September 2012 16:41

      Ha! Also, die Vorstellung, daß all die kleinen Krabbler österreichisch sprechen, finde ich gerade sehr unterhaltsam.

    • joulupukki permalink
      16. September 2012 10:55

      Wer im vorigen Leben ein Mistkäfer war, wird in der Regel als Österreicher wiedergeboren.

    • 16. September 2012 18:12

      Ha! Vielleicht die Erklärung dafür, wieso die Mistkäferchen so freigiebig vom Leben lassen — die wollen alle Käsekrainer und Kaiserschmarrn!

    • joulupukki permalink
      16. September 2012 20:23

      Genau. k&k, das verkauft sich immer gut – vorrangig an Käfer und Japaner.

    • 16. September 2012 21:31

      Japaner mögen’s k. und k.? Aber wieso das denn?

  3. 22. September 2012 10:12

    Schöne Bilder und Gedanken, Lakritze! Ich gehöre auch zur Käferkipperfraktion. Nur einmal ist so ein großes schillerndes Exemplar in meinem Haar gelandet, das gefiel mir nicht so.

    • 22. September 2012 11:37

      Juhu! Wir werden immer mehr!
      Solltest Du wirklich so dunkle Haare haben, wie ich mir das vorstelle, gäbe so ein Schillerkäfer aber gar keine üble Haarspange ab. ,)

  4. 12. Oktober 2012 0:30

    ich auch. :-) also käferkipperin mein ich!
    dieser kommentarstrang ist das perfekte betthupferl heute!

    schön, dass wir dich heute kennenlernen durften. hoffentlich bis du rechtzeitig auf dem bhf gewesen!

    dein blog gefällt mir total gut – optisch und auch textlich. einen feinen erzählstil, den du da pflegst. und die bilder sind sehr ausdrucksstark!

    ich komme gerne wieder.

    gute nacht und liebe grüsse
    soso

    • 12. Oktober 2012 22:04

      Wie schön, noch eine! Und danke für Deinen Besuch; ich freue mich sehr, daß es Dir gefällt. Und Bloggertreffen sind eine wirklich feine Sache — hab’s gut auf allen Wegen!

  5. Jägersmann permalink
    6. September 2014 20:47

    Seite sehr schön zu Lesen,aber warum die Käfer auf dem Rücken liegen und Sterben weis ich immer noch nicht.Drehst du einen Käfer der auf dem Rücken liegt wieder auf den Bauch dreht er sich wieder auf den Rücken,kann es sein das er sich zum Sterben auf den Rücken wirft so wie die Indianer sich in die Berge oder die Elefanten zum Sterben zurückziehen.Kann jemand die Frage beantworten.????

  6. 12. Juni 2017 21:11

    Auch wenn dies schon ein alter Text ist – er gefällt mir! Aber ich kann kein „gefällt mir“ hinterlassen, wordpress läßt mich schon seit Monaten nicht mehr … also lasse ich einen läßlichen Kommentar, um Dich wissen zu lassen, daß – ahc, lassen wir das ;-)

    • 13. Juni 2017 23:34

      .)) Danke. In der Hinsicht läßt mich WP auch gelegentlich im Stich. Muß man gelassen sehen.

  7. Ines permalink
    3. August 2017 18:02

    Gibt es inzwischen neue Erkenntnisse? Wir haben heute dutzende tote Mistkäfer auf dem Walweg gesehen.

    • 4. August 2017 0:41

      Nicht daß ich wüßte; ich bin auch nicht sicher, ob es wirklich schlimmer wird, so insgesamt gesehen. Schlupfwespenbefall scheint jedenfalls die Ausnahme zu sein.

    • Buchfink permalink
      4. November 2017 22:49

      Hallo, ich studiere Biologie im fünften Semester und bin bei der Recherche für mein Protokoll zufällig auf diese Seite gestoßen. Macht euch mal keine Sorgen, Käfer werden in der adulten Form meist nie älter als ein Jahr. Ein adulter Käfer paart sich meistens einmal, legt Eier und stirbt. Aus den Eiern schlüpfen dann die Larven, die meistens dann älter als ein Jahr werden können (Maikäferlarve wird z.B. bis zu sieben Jahre alt). Beim sterben entspannen Insekten ihre Beinchen, wodurch sich viele Käfer automatisch auf den Rücken drehen.
      Dass die Mistkäfer im Herbst sterben ist also völlig normal, was sollen sie sonst noch machen? Dafür gibts im Frühjahr ja wieder neue. :)
      Lieben Gruß

    • 4. November 2017 22:54

      Ein Hurra für den Einsatz und vielen Dank für die Informationen! Es ist für Menschen schwer einzusehen, daß nach so langer Entwicklung das, was für uns das Erwachsenenalter wäre, so schnell vorbei sein soll.
      Dann hoffen wir auch noch viele Jahre mit noch vielen Käfern!

  8. loa permalink
    12. Juli 2019 8:50

    Es ist Sommer und seit man sie wieder sieht, liegen sie fast alle auf dem Rücken herum auf dem Wanderweg im Wald. Hatte den Verdacht, dass Insektenmittel der Auslöser sein könnten.
    Bei Regen waren sie übrigens weg. Also wenn sie im Herbst sterben, warum liegen sie dann schon jetzt herum.
    Einige dreh ich auch um, manche landen dann aber wieder auf dem Rücken, so blöd kann ja kein Käfer sein, also müssen sie etwas haben wie Beinlähmung, Alzheimer. Und es sind so viele, dass man gar nicht alle drehen kann. Also mehrere pro m2. Also ein Massenphänomen. Aber danke an die Studentin, natürlich kanns sein, dass es Zuwenig Futter herumliegt und es zu trocken ist und irgendwo ist das Leben offenbar sehr kurz…

    • 23. Juli 2019 21:14

      Die Trockenheit ist sicher ein Problem; nicht mal im Wald hält sich genügend Feuchtigkeit. Ich versuche aber mal mehr dazu herauszufinden. Wenn das gelingt, erscheint es hier.

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