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(I) Kleine Liebeserklärung

7. Oktober 2017

Frau Trippmadam hat einen wunderbaren Text geschrieben, der im Rahmen einer Aktion des Archäologischen Museums Hamburg steht. — Lange mußte ich nicht nachdenken, um zu begreifen, wie viel ärmer ich wäre ohne Museen.

Meine ersten waren das Römermuseum in der Kreisstadt und, höchstes Entzücken, das Stadtparkschlößchen. Das hatte einen Teich mit zwei schwarzen Schwänen darin, eine geschwungene Treppe, Türflügel, die ich niemals allein aufbekommen hätte, und drinnen mußte man gleitende Filzpantoffeln tragen, um das Parkett zu schonen. Es gab Fossilien; Scherben und Knochen; hundert Jahre alte Vasen, Bilder und Skulpturen und ein bißchen olle Schloßeinrichtung, und ich schaute alles an. Alles. Jedes Mal. Der Eintrittspreis war minimal; so ging ich als Schülerin auch mal in der Mittagspause schlittern. Es beruhigte mich, die immergleichen Exponate zu besuchen, und die Wechselausstellungen gefielen mir oft. Mit 20 kaufte ich dort das erste Mal ein Kunstwerk. Inzwischen ist das Museum modernisiert; noch heute gehe ich hin, wenn ich kann.

In fremden Städten sind Museen meine ersten Anlaufstellen. Ob in New York, Syrakus oder Oberrosphe: Museen sind besonnene und gute Orte. Da haben Menschen sorgfältig Wissen, Erinnerung, Schönes, Erstaunliches und Stolpersteine zusammengetragen, damit ich sie sehen, verstehen, mich damit auseinandersetzen kann: eine Einladung, der ich immer gerne folge.

Museen liebe ich vielleicht noch ein bißchen mehr als Bibliotheken. Museen sprechen alle Sprachen, und ich muß mich nicht im gleichen Maß beschränken: Mehr als zweidrei Bücher könnte ich nicht zugleich lesen, aber ich kann im Museum genau so weit durch fremde Sinnes- und Gedankenwelten wandern, wie ich möchte, und meine eigenen daranknüpfen.

Ich finde, ein Gemeinwesen sollte sich Museen leisten. Natürlich Krankenhäuser, Schulen, Grünflächen, Nahverkehr und anständige Polizisten, das ist klar. Aber eben auch Theater, Bibliotheken, Gedenkstätten; alles, was Geist verbreitet, was Diskurs fördert, Welten öffnet. Und Spaß macht.

 

 

22 Kommentare
  1. 7. Oktober 2017 17:34

    Genau. Schön gesagt – denn Kultur und Wissen dürfen Spaß machen.

    • 7. Oktober 2017 18:04

      Die dürfen auch wehtun, und sie dürfen alles ins Kippen bringen. Aber geben muß es sie; und Kinder müssen das lernen dürfen. Nicht nur die mit kulturbeflissenen Eltern.

  2. 7. Oktober 2017 17:59

    „In fremden Städten sind Museen meine ersten Anlaufstellen“.
    Genauso verhält es sich für mich.
    Und Buchhandlungen nicht zu vergessen.

    • 7. Oktober 2017 18:05

      Stimmt, Buchhandlungen! Und Kirchen, die ich auch sehr gern besuche. Unvernünftig große, vollkommen nutz-lose Räume. Wunderbar.

  3. karu02 permalink
    7. Oktober 2017 18:02

    Museumsbesuche vermisse ich zur Zeit genau so wie lange Wanderungen. Für meinen liebsten Reise(und Museums)Begleiter ist es zu anstrengend geworden. Das bedenkt man nicht, solange man gesund ist. Im Gegenteil, es gibt zusätzliche Energie.

    • 7. Oktober 2017 18:25

      Ach je; das ist natürlich richtig: man muß Kraft aufbringen, um welche daraus ziehen zu können … Ich hoffe, es bleibt genug für alle wichtigen Dinge.

  4. 7. Oktober 2017 20:55

    Hier redet jemand mit meinen Worten…Aus dem Museumsshop des Kunstmuseums Stuttgart brachte ich mir schräge Postkarten und ein Naturmemory für den Enkel mit. Mit ihm werden wir demnächst das Naturkunde-Museum in DÜW besuchen, später dann das Naturhistorische in MZ.

    • 7. Oktober 2017 21:05

      Oh, schön! Das macht mir ja immer besonderen Spaß, Kindern beim Gucken zuzugucken. Daß die das alles zum ersten Mal sehen –!
      (Mein sechsjähriges Nichtchen hat im Naturkundemuseum die Aufsicht gefragt, ob man etwa all die Tiere extra fürs Museum umgebracht hätte …)

    • 8. Oktober 2017 22:58

      Und was hat die Aufsichtsperson geantwortet?
      :-)

    • 9. Oktober 2017 9:14

      Oh, die hat das Kind besänftigen können, daß man das heute nicht mehr so macht. (Seufz.)

  5. 7. Oktober 2017 21:55

    Ich gehe besonders gerne in Museen, die ganz unvernünftig großzügig bemessen sind. Die Museumsmeile in Bonn beispielsweise. Am schönsten ist es, wenn sie auch noch leer sind. Dann habe ich den ganzen Luxus für mich. Bei Kirchen ist es anders. Da gehört ja der ganze freie Raum schon dem lieben Gott.

    • 8. Oktober 2017 8:36

      Dann magst Du sicher auch Rolandseck! Das muß man unter der Woche besuchen, wochenends ist man ganz gewiß nicht allein, und ins Café gehen muß man auch, das wurde nämlich einst für Kaiserempfänge gebaut. Unvernünftiger geht es gar nicht.

    • 9. Oktober 2017 13:45

      Danke für den Tipp. Ich war da mal vor Jahren und hab mich gewundert, dass man einem mir bis dahin völlig unbekannten Künstler ein so großes Haus widmet. Aber irgendwas anfangen muss man ja mit einem Kaiserbahnhof in bürgerlichen Zeiten ;-)

  6. 11. Oktober 2017 17:30

    Oh, wow – deine Beiträge zu #KultBlick gerade erst entdeckt – fantastisch und das nach dem 1. Beitrag. Lese mich noch durch die anderen 3! Da bin ich @trippmadam absolut dankbar, dich angestiftet zu haben – famos! „Museen sprechen viele Sprachen“ – sehr fein!

    Herzlich,
    Tanja

    • 11. Oktober 2017 17:56

      Danke fürs Vorbeilesen! Das Thema ist wirklich ein Faß ohne Boden, und so wichtig wie lange nicht mehr, finde ich.

    • 11. Oktober 2017 17:59

      Oh ja, wir könnten uns einiges ersparen, wenn wir Kultur mehr in den Mittelpunkt setzten. Ich komme jetzt häufiger bei dir lesend vorbei, mag einfach deine Gedankenwelt!

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