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Timmerbergs Reisen

6. Oktober 2008

Gerade habe ich ein Buch gelesen, „In 80 Tagen um die Welt“ von Helge Timmerberg, 55. Er probiert aus, was es im Zeitalter von Charterflügen, Internetbuchung und weltumspannenden Konzernen bedeutet, gut elf Wochen Zeit für eine Umrundung des Erdballs zu haben. Allein die Namen der Stationen lassen Reiseromantik aufkommen: Venedig, Rimini, Kreta, Bombay, Tokio, Mexico City, Dublin …

Ich verrate nicht zuviel, wenn ich sage: Romantisch ist anders.

Vergleiche bleiben nicht aus, wenn ein Vielgereister reist. Und in diesem Falle sind das keine Vergleiche mit Jules Verne. Rimini beschwört Bilder von Familienurlauben in den Fünfzigern; der alte Hippie sieht die Drogenparadiese des Ostens wieder, und einer, der ein paar Jahre in Kuba gelebt hat, muß das Havanna der Neuzeit ertragen. Ist man irgendwann zu alt zum Reisen? Wenn das Buch eine Pointe hat, so ist es die Antwort auf diese Frage.

Bei all dem pflegt Timmerberg eine lesenswerte Sprache. Er ist kein Schönschreiber, sondern ein subjektiver, vielleicht ehrlicher, aber seine Vergleiche sind nicht abgenutzt, seine Beschreibungen funkeln noch, und sein Erleben überrascht. Streckenweise liest sich das wie ein langer (guter) Qype-Artikel, nicht nur, weil Timmerberg naturgemäß viel über Hotels schreibt. Außerdem kommen Passagen vor wie

[…] Bücher über die Stadt schreiben. DEN großen Rimini-Roman. „Für eine Handvoll Gelato“ oder „Vier Gelati für ein Halleluja“ oder „Gelato pflasterte seinen Weg“. Falls das eine Spur zu Gelato-Western rüberkommt, können wir es Hemingway-mäßiger machen: „Wem das Gelato schlägt“. Márquez geht auch, Doppelband: „Gelato in den Zeiten der Cholera“ und „Hundert Jahre Gelato“. Und wie wär’s mit „Gelato und Sühne“ (Dostojewski), „Die Gelatolandfahrt“ (Hesse) oder „Gelatotagebuch“ (Kerouac) — […] (Seite 41).

Das kommt meinem Hang zur Albernheit entgegen. Doch, auch mir gehen derlei Witze irgendwann auf den Keks, aber bedeutend später als den meisten anderen, und nicht ohne daß sich die Sache verselbständigt und eine Weile in meinem Hirn herumgetrieben hätte: „Der Name des Gelato“. „Wenn ein Gelato in einer Winternacht“. „De bello Gelato“.

Achja: Das gebundene Buch ist ein richtig schönes. Der Rowohlt-Verlag hat sich nicht lumpen lassen und einen farbigen Schutzumschlag, die Reiseroute auf den Einbandinnenseiten, ein Lesebändchen sowie Zeichnungen von Harry Jürgens spendiert, die Jules Verne graphisch mit den Themen Timmerbergs verbinden.

Helge Timmerberg:
In 80 Tagen um die Welt
287 Seiten mit s/w-Zeichnungen
Rowohlt, 2. Aufl. 2008
ISBN 978-3-87134-593-7

8 Kommentare
  1. berndb permalink
    7. Oktober 2008 9:14

    *g* Wem das Gelato schlägt. Oder: Wenn das Gelato zweimal klingelt. Die Gelatoprüfung.

    Reist der Herr Timmerberg auch mit einem Heißluftgelato?

  2. 7. Oktober 2008 15:45

    Nee, das kommt ihm nicht ins Gelato — äh …
    Zitat Timmerberg:
    „[…] Der Korb knallt auf den Boden und kippt um. Du knallst gegen den Korb und kippst mit um. Danach ist die Ray Ban kaputt. Das ist Landen mit dem Heißluftballon.“

  3. 7. Oktober 2008 21:06

    @lakritze: Wie in der Überschrift richtig vermerkt, heißt der Mann Timmer*berg*. ;-)

  4. 7. Oktober 2008 21:42

    Wo hab ich bloß meinen Kopf. Danke — verbessert.

  5. 23. Oktober 2008 22:15

    Na, da bin ich ja auf Deine nächsten Qype-Artikel gespannt. Wird der Timmerbergsche Stil sich bei Lakritze wiederfinden ?
    :)

  6. 24. Oktober 2008 9:58

    Darüber denke ich nicht mal nach, solange mir niemand eine Weltreise spendiert … (Außerdem bin ich weder Mann noch 55, da wäre das albern.) :))

  7. Jarg permalink
    18. Januar 2012 16:43

    Timmerberg ist Kult … neben Wolfgang Büscher und Andreas Altmann einer der besten deutschen Reisejournalisten!

    • 18. Januar 2012 21:39

      Büscher zählt zu meinen Bevorzugten. Auch, weil er zu Fuß geht.

Kommentare sind geschlossen.