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Elefanten, Labyrinthe, Kathedralen

22. Januar 2020

Es gibt Dinge, da fragt man sich jedes Mal, wenn man sie macht, warum man sie eigentlich nicht viel öfter macht. Ein solches Ding sind Wanderungen mit SoSo und Irgendlink. Mit zwei Bild- und Wegemenschen gehen heißt, mit Adleraugen schauen und sich in Höflichkeit üben. Oh, da, ein Schild! Neinnein, mach erst du ein Bild, du hast es zuerst gesehen. Überhaupt sind diese Wege immer zweierlei: An- und Abstiege, Rasten und Fernblicke, aber eben auch: Augenweiden, neue Geschichten, andere Richtungen für die Gedanken.

öder Parkplatz

Dieser Platz ist Herrn L. Dietzel gewidmet.

Der Winter fällt dieses Jahr aus, auch in der Pfalz; also wird es keine Winterwanderung. (Schnee ist so selten geworden.) Der Weg heißt „Lebensweg“, startet und endet in Enkenbach-Alsenborn und bietet allerhand an seinen Rändern: Bänke und Aussichten, die Quelle der Alsenz (auch die fällt zur Zeit aus), eine napoleonische Schanze, die A63 (nervt), ein Meditationslabyrinth.

Wir starten in einem Neubaugebiet, aber es hat kaum Gelegenheit, mich zu deprimieren. Zum Lebensweg?, fragt eine Frau aus dem Autofenster. Der geht da vorne links die Treppe hoch.

Am Weg gibt es Stationen mit Gedichten. Eine heißt: Unfalltod; die liegt unter dem Rauschteppich der Autobahn. Eine andere bietet das Meditationslabyrinth: einen großen Kreis aus Rindenmulch mit roten Sandsteinkanten. Das gehen wir in unseren unterschiedlichen Geschwindigkeiten (aber doch eher flott, es ist windig). Von oben muß das hübsch aussehen. Hinaus nehmen wir die Direttissima; es gibt ja noch mehr zu sehen.

Den Ackerelefanten, zum Beispiel. Der steht auf einem Verkehrskreisel, ein grimmiges Tier, angeschirrt vor dem Pflug eines Bauern. Irgendlink kennt die Geschichte dazu: Zwischen den Kriegen hatten nicht nur die Dorfbewohner nichts zu essen, sondern auch die Tiere des hier überwinternden Zirkusses (statt Wirtschaftsflucht nach Übersee waren die findigen Alsenborner Artisten geworden, seit Generationen schon). Und weil alle Pferde requiriert worden waren und die Felder brach lagen, probierte man es zum Pflügen mit einem Elefanten – die Geschichte ging nicht gut aus, der Elefant riß aus und plünderte ein Rübenfeld; und am Ende ist er wohl doch verhungert, wie die anderen Zirkustiere auch. Aber man hatte es versucht.

Verkehrskreisel

Der berühmte Ackerelefant.

Zum Ende des Tages finden wir inmitten von Parkplätzen eine von den immensen Sandsteinkirchen dieser Gegend, ein feuchtes Ding aus Sandstein; ihre Schönheit ist unbeleuchtet womöglich noch gesteigert. Als wir aus dem dichter werdenden Dunkel hinauswollen, kommt uns eine alte Frau entgegen, gezogen von einem kleinen rosa Kind: das strebt magnetisiert auf die Krippe zu. Echte Attraktionen.

Auf der Rückreise denke ich ein bißchen über den (verborgenen) Nutzen von Kirchen nach und über die (sehr offensichtliche) Häßlichkeit von Parkplätzen; darüber, daß man, wenn man Deutschland sehen will, die kleinen Städte besuchen muß. Und daß man ein paar Dinge wirklich ganz dringend öfter machen sollte, nämlich Wanderungen mit SoSo und Irgendlink.

13 Kommentare
  1. 22. Januar 2020 18:39

    Hach du, wie schön. Danke für deinen schönen Bericht. Meiner steht noch aus.
    Ja, gerne öfter. Auch mal im Sommer. Oder Herbst. Oder Frühling.
    Schön wars!

    • 22. Januar 2020 20:06

      Müssen wir machen. Und ich muß euch auch mal Gegenden zeigen, und vielleicht kommt Herr G. mit. Pläne!

    • 23. Januar 2020 0:36

      Yesss!

  2. 22. Januar 2020 19:30

    ja, das glaube ich sehr gerne, dass eine kleine Reise wie auch immer mit den beiden wunderbar ist. Eine Wanderung im realen Leben verfolgt im Internet, Oder seit bei seit auf den Wunderwegen dieser Welt.
    Das sollte man im Abo anbieten.

    meinen herzlichen Dank für diesen schönen Artikel.
    💙

  3. 23. Januar 2020 14:32

    Der Dietzelplatz kann weg. Oder begrünt werden. Parkt doch eh kein Auto drauf. Und Neubaugebiete, die Gelegenheiten haben oder auch keine, sind etwas Feines.

    • 23. Januar 2020 14:44

      Ich frage mich ja auch, was der Herr Dietzel verbrochen haben könnte. Jedenfalls: der ganze Ort ist voller Parkplätze. Rathausplatz: Park~. Klostergarten: dito (im Ernst!!). Gesegnete Gefilde für Autofahrer; zu Fuß weniger hübsch.

  4. 25. Januar 2020 16:51

    Trostlosigkeiten erzeugen manchmal einzigartige euphorische Zustände bei mir, merkwürdig. Industriegebiete und Discounterparkplätze fordern sowas heraus. Aber rumwandern wöllte ich dort nicht. Es sein denn, man könnte sich vor lauter Nebel mit bisschen Industrieschnee alles Mögliche ausmalen…
    Gruß von Sonja

    • 25. Januar 2020 20:16

      Neinnein, das war ein Abstecher von der Wanderung. weil ich doch den Ackerelefanten unbedingt sehen wollte. Aber das mit der Euphorie angesichts der Ödnis, das kenne ich. Ich verbuche es unter Galgenhumor.

  5. 28. Januar 2020 0:17

    Ich nehme an, das legendäre Fritz Walter Wetter in der Pfalz tat sein übriges: Nieselregen, die Stutzen auf halb 8 und jede Sekunde das entscheidende 3:2 auf dem Schlappen.

    • 28. Januar 2020 19:36

      Fürs F.-W.-Museum war’s eindeutig zu trocken.

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