Tanz
Ist hier noch frei?
Klar, wieso nicht?
Du wartest sicher auf jemanden …?
Meine Beste hat mich versetzt; aber das hält mich nicht ab, rauszugehen. Und du?
So ähnlich. Eine Freundin wollte vielleicht noch kommen.
Ah, dann haben wir wohl beide Glück gehabt.
Wenn du so lächelst, muß ich dir das glauben.
Na, jetzt lächelst du endlich auch. Vorhin sahst du so ernst aus.
Ist eine ernste Sache, jemandem wie dir näherzukommen …
Oho, da sind wir uns also schon nähergekommen?
Hoppla, das war ein Freudscher. Da war der Wunsch —
Das war ein Witz. Komm, gehen wir. Wenn wir uns schon näherkommen, will ich dich wenigstens in Ruhe kennenlernen.
Noch ein Witz?
Voller Ernst.
***
Wann bist du zurück?
Warte nicht auf mich, kann später werden.
Wer sagt, daß ich auf dich warte!
Ich meine ja nur. Vielleicht schaffe ich die letzte Bahn nicht, ich hab Bekannte da, mach dir keine Sorgen.
Sorgen –! Ich sehe dich nur noch zwischen Tür und Angel, wohnst du wirklich hier?
Jetzt fang doch nicht schon wieder an.
Du weichst mir aus …
Wir reden drüber, ja? Ich muß los. Warte nicht auf mich. Wird sicher spät.
***
Ist hier noch frei?
Ja, sicher. Bitteschön.
…
Beitrag zum Projekt *.txt (15: Tanz).
Hinter den Stirnen der Menschen … Geschichten, Schichten, die du mit dem Herz siehst und in Worte fasst. Klasse.
Ich hätte gesagt: das Schreibprojekt ist mir ein Anlaß, Dinge zu probieren, die ich üben muß. .) Danke Dir, Soso.
Sehr feinsinniges Spiel mit der Sprache und der Situation. Mehr davon!
Oh, danke sehr. Noch sehr viel mehr txt gibt es hier: http://neonwilderness.net/txt/ –!
Haben Sie das selbst gehört — oder geübt?
Nahörnsemal.
Sie haben von üben gesprochen.
(Ich habe übrigens sofort eine klare Vorstellung, wer hier Männlein, wer Weiblein ist. Frage mich, ob das anderen auch so geht?)
Üben: ich finde es schwierig, Dialoge auf das wesentliche zu reduzieren; das ist nicht natürlich. Entweder redet man viel mehr, als man sagt; oder aber man nutzt nonverbale Kanäle, die sich schriftlich nicht wiedergeben lassen. Ich muß herausfinden, wieviel man der Vorstellungskraft zumuten kann und wieviel Freilauf sie verträgt.
Männlein und Weiblein: seltsam, nicht? Man stellt sich immer so leicht Männlein und Weiblein vor. Und schade: genau das hatte ich zu verhindern versucht. .))
Ein tief verwurzeltes Interesse, scheint mir. Wir teilen immer ein. „Ist das ein Junge oder ein Mädchen?“ Ja sogar: „Ist das ein Rüde oder eine Hündin?“ Ich glaube, unsere Welt ist erst geordnet, wenn wir Lebendigem, das wir als Person ansprechen wollen, ein Geschlecht angeklebt haben. Oder umgekehrt: Erst das Geschlecht (ebenso wie der Name, der ja auch selten geschlechtsneutral ist, und das hat sicher seinen Grund) macht etwas zu einer Person, allen Queer-Theorien zum Trotz.
Und zu den Dialogen: Ich finde ja, aufgeschrieben dürfen Dialoge künstlich sein, ja, müssen sie sogar. Und: künstlich ist nicht hölzern. (Ich selbst bevorzuge allerdings die indirekte Rede.)
Wer ist denn Solminore?
Wer ist denn wildgans?
Oh, darf ich vorstellen: Herr Solminore, Fernwanderer, Weitschreiber, Zeitgereister. — Frau Wildgans, Vielleserin, Gartenbesitzerin, Verfasserin rasanter Worte.