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Bücher von Bloggern I

18. Juni 2015

In meiner Ecke vom Netz entstehen nicht nur fabelhafte Dinge, sondern sie werden auch gedruckt. Gelegentlich findet etwas davon den Weg zu mir. Drei Beispiele, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, habe ich gerade hier. Zum ersten:

Claudia Sperlich (kalliopevorleserin): Lass mich bekennen Deine Mandelblüte. Gedichte, Paperback,
ISBN 978-3-7323-1172-9, 120 Seiten, 6,99 €

Ein Buch mit christlichen Gedichten dürfte unerwartet sein in meinen Beständen; darum muß ich ausholen.

Ich bin weder katholisch noch fromm, sondern solide evangelisch sozialisiert; das heißt, ich weiß mich im Gottesdienst zu benehmen. Auch in katholischen Kirchen fühle ich mich nicht fremd, wenngleich meine Liebe zu Weihrauch und Meßdienerei früh erstickt wurde, als nämlich der katholische Pfarrer im Dorf mir beschied, ich hätte da keinerlei Aussichten als Protestantin und als Mädchen.

Religiosität bestaune ich; diese Welt bleibt mir verschlossen, doch fehlt mir nicht das Verständnis dafür. Ich für mein Teil habe meine Kirche gern, unter anderem auf ganz schlichte Art: ihre Lieder, ihre Worte und Feste sind mir grundvertraut. Die alten Riten geben Trost und Ruhe, gelegentlich auch mir.

Nüchtern betrachtet, wurzeln meine Bildung und Kultur im Christlichen. Das habe ich mir nicht ausgesucht, aber das Gebot der Nächstenliebe, die Bergpredigt, die Psalmen und biblischen Geschichten haben mich geprägt. Das Wissen um diese Wurzeln verleiht meiner Welt Tiefe.

Schließlich, und da bin ich nun endlich bei der „Mandelblüte“, liebe ich Sprache. Auch die, die ich aus der Kirche kenne: allein die Luther-Bibelübesetzung. Oder die Kirchenlieddichter, Fleming, Gerhardt, Claudius — ihre Verse haben Kraft und Saft oder treffen mich in wunderbarer Schlichtheit.

Claudia Sperlichs Gedichte reihen sich ein in die alte Tradition des Kirchenlieds; sie sind theologisch informiert, viele mit liturgischen Anklängen und Obertönen, andere zutiefst persönlich — und eben in Verse gefaßt, in Sonette gar, streng und makellos. Das lese ich; das fließt und singt, und Verzweiflung wie Begeisterung werden spürbar; Freude und Klage, Gewißheit und Zweifel packen mich wie die in den alten Liedern und Chorälen. (Sogar die Widerborstigkeit, die mir das Wort „Sünde“ schon immer verursacht hat, regt sich wieder.) Und schön ist es: … Ich tröste nicht. Ich helfe nur entdecken. / Hört mich. Seht selbst. Verwindet euren Schrecken. / Er ist das Licht, das lebt. Nun werdet lichter, spricht der Engel am Grab.

Zwischen Texten zum Kirchenjahr, Heiligenviten, Lob und Bekenntnis finden sich einzelne Gedichte in freien Versen. Sie schlagen einen anderen, leiseren Ton an; manche setzen neue Seiten der alten Geschichten ins Licht. Da ist zum Beispiel Lots Weib, das sich beim Brand von Sodom und Gomorrha umdreht und erstmals etwas anderes sieht als Haushalt, / Kinder und Schwatz mit der Nachbarin, nämlich Ausbeutung, Mord, / Vergewaltigung ihrer Schwestern, und aus der rätselhaften Salzsäule der Bibel wird plötzlich etwas ganz Verständliches.

Angesichts des anachronistischen Unterfangens, religiöse Gedichte zu veröffentlichen, mag ich an der Ausstattung des Buches gar nicht mäkeln. Auch Kirchenbauten sind aus der Zeit gefallen, ohne Nutzen in einer Zeit, die allen Nutzen messen will; ich bin schon froh, wenn es sie gibt. Ich stelle den Band ins Regal zu meinem alten Gesangbuch; da paßt er gut, wie ich finde, und es sieht schön ökumenisch aus.

 

Fronleichnam

Der Herr zieht vorbei
im strömendem Regen.
Ich knie vor Ihm
auf nasser Straße.
Als Katholikin
bin ich erkennbar
am Fleck auf der Hose
und pfeif auf dem Heimweg
voll heiliger Speise
das Tantum ergo.

(Claudia Sperlich, 2015; zitiert mit freundlicher Genehmigung der Autorin)

 

PS: Man bekommt dieses Buch natürlich im Netz; ich habe es einfach in meiner Buchhandlung bestellt, wo es ein paar Tage dauerte. Die Taschenbuchausgabe geht schneller. Es wäre schön, wenn es viele Leser fände; es wäre schön, wenn jemand für etwas Wunderbares einen gerechten Lohn bekäme.

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