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Kleine Ode an die kleinen Städte

23. Februar 2015

Hübsch hier! Diese schiefergedeckten Häuschen, ganz entzückend. Ja, so eng hat man früher gewohnt. Da, der Laden, so eine Dekoration hab ich als Kind so schön gefunden … und, oh, eine richtige echte Bäckerei!

Welten.

Welten.

In der kleinen Stadt stehen am Marktplatz Kirche und Stadtparkasse, Brunnen mit moderner Bronze samt Stifterplakette; an sechs von sieben Tagen wird hier geparkt. Auf der Straße grüßt man sich, und weil jeder jeden kennt, fällt der Fremdling auf. Familiengeschichten erzählt man sich bis ins vierte Glied. Mißgunst wohnt Tür an Tür mit Freundlichkeit. Hier lebt man nur einen Schritt vom Dorf entfernt, aber einen entscheidenden: es gibt eine Fußgängerzone.

Da präsentieren sich Verwüstungen: in Backsteinfassaden gedonnerte Glas- und Stahlkästen, Gründerzeit mit LED-Displays, Verbundpflaster, vollgekübelt mit Beton. Dazwischen hat sich die Zeit vertrödelt. In Winkeln halten sich Tante-Emma-Läden mit handbeschrifteten Werbeschildern, Metzgereien mit einer Reihe von Stühlen für die Stammkundschaft. Diese Geschäfte werden mit ihren Besitzern sterben und vielleicht irgendwann mühselig neu erfunden werden, als tolles Konzept in einem Großstadtquartier.

Wer altmodische Cafés liebt, mit hausgebackenen Torten und ohne Zeitgeistgedöns, muß sie in den kleinen Städten suchen. Stromlinienförmig ist hier wenig. In ihren Schenken und Gasthäusern kann man sich als Vegetarier noch mal so richtig diskriminiert fühlen. Und manche Geschäfte dürften Eintritt verlangen als historische Museen.

Ich durchstreife diese Städtchen als Ethnologin, gerührt-nachsichtige Tante und staunendes Dorfkind zugleich. Und ich komme immer mal wieder. Es beruhigt mich, daß es das noch gibt.

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12 Kommentare
  1. 23. Februar 2015 18:57

    Wo wohl das Pendant, die ungemütl. Schweiz steht? 😉
    Ja, das alles mag ich auch an kleinen Orten. Wie heißt denn dieses dein Kleinod?

    • 23. Februar 2015 19:25

      Ungemütl. ist es sicher nicht in der Schweiz. .)) Und wenn ich noch wüßte, wo ich’s aufgenommen habe, würde ich da sicher mal einkehren  –!

  2. 24. Februar 2015 3:06

    irgendwo in Deutschland … ich kenne und mag solche kleinen Städtchen auch, trotz so mancher Bauschandeltat, es gibt derer doch noch mehr und das ist gut so!

    • 24. Februar 2015 10:05

      Ich mag das auch sehr; Kleinstädte ähneln sich überall im Land, und wenn man genau schaut, dann werden sie unverwechselbar.

  3. 24. Februar 2015 10:32

    So schön treffend.

    • 24. Februar 2015 10:37

      Danke, Herr Großstadttiger.

    • 24. Februar 2015 10:42

      :) Ob Stuttgart wirklich eine Großstadt ist? Aber immerhin, doch ein Sprung von den Weilern meiner Kindheit und Jugend. Oder nein, kein Sprung, sondern ein langer Weg der Gewöhnung.

    • 24. Februar 2015 10:51

      Meine Theorie ist ja, daß alle Menschensiedlungen Dörfer sind. Und Großstädte einfach mehr davon (ich war überrascht, wie schnell man in New York einen eigenen Bagelmann hatte, eine Reinigung und einen Deli; komplett mit Gruß und Smalltalk). Bloß sind die Mieten höher. (Noch nicht ganz ausgereift, die Theorie.)

    • 24. Februar 2015 19:13

      Eine interessante Feststellung! Und dann gibt es ja noch die Möglichkeit der Welt als Dorf. Wenn auch ein ganz schön verwirrendes.

  4. schreikraft permalink
    5. März 2015 22:21

    Meine Mutter wohnt genau so. Oder wohnte. Denn: Der Marktplatz wird immer leerer, das Traditionscafé hat zu gemacht, der Buchladen ist immer nah am Konkurs. Die kleinen Städte bluten aus – die Leute kaufen lieber bei Kik und Konsorten und wundern sich dann, was mit dem Einzelhandel passiert ist. Deine Kleine Ode hat mir gut gefallen, hoffen wir, es wird kein Nachruf daraus.

    • 7. März 2015 16:49

      Oh, das hoffe ich auch. Ich hoffe sogar auf eine Renaissance der kleinen Stadt — in den großen wird es immer teurer zu leben; irgendwann kommen vielleicht mehr Leute darauf, daß viele kleine Zentren angenehmer und bunter sind als wenige große?

  5. schreikraft permalink
    9. März 2015 7:28

    Naja, da müsste man erst mal definieren, was wirklich als kleine Stadt durchgeht. Mein Freund, der aus Rom kommt, sagte auch mal, das „Leben in einer Kleinstadt“ sei angenehmer… es stellte sich heraus, er sprach über Köln! :)

Kommentare sind geschlossen.