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Den See sehen

12. Januar 2015

Wenn das Meer fern ist, muß eben ein See-Gang genügen. Einen See weiß Herr G. Und am Wandertag herrscht eine steife Brise, daß der Wald brandet; man sollte die Mütze tief ins Gesicht ziehen, sonst lernt sie fliegen.

Laacher See

Zwischen Wellenbergen: am Maar.

Wir nehmen ein Flüßchen als Begleiter hoch in die Eifel, Richtung Bims und Basalt. Hier entspringt Mineralwasser, und um den Brunnen herum gedeiht Industrie. Die Quellnymphen, sagt Herr G., tragen hier hygienische Hauben überm Haar und einen Werksausweis um den Hals.

Wir schauen vom Hang auf die Getränkekistengebirge hinab, da explodiert hinter uns das Laub: unter Geprassel galoppiert ein kleines, struppiges Wildschwein davon, das sich zwischen Pfad und Fels in einem Blätterhaufen vergraben hatte und nun wohl mit den Nerven am Ende war. Ich hätte ihm ganz leicht ein Bein stellen können … Gut, daß es keine ganze Rotte war, merkt Herr G. an, und da hat er wohl recht.

Zum Vespern finden wir eine windstille Bank an einem Wasserfall, umhuscht von neugierigen Mäusen; dann geht es über den Rand des Vulkans. Noch ein Saum wild gestikulierender Bäume, und da liegt der Laacher See. Heute mit Schaumkronen.

Wir stehen im Gegenwind und schauen über das Wasser. Das schleudert derart mit ausgerissenen Stämmen, daß die Uferbäume bis in die Wurzeln erbeben; auf den Wogen fahren die Bläßhühner Schiffschaukel. Sturm und Brandung klingen, doch, wirklich, beinah nach Meer. Herr G. deutet auf meine Schuhe, für die der See sich bereits zu interessieren beginnt; da gehen wir besser weiter.

ls-quelle ls-blick ls-ruine ls-strom

Der Wind weht uns Richtung Tal; ein Radfahrer kämpft sich uns entgegen mit grimmer Stirn und schlammigem Steiß. Das, sagt Herr G., möchte man heute auch nicht, und wir setzen vergnügt unseren Weg fort.

Ich hätte fast ein Wildschwein gefangen, mit bloßen Händen, wäre ich nur nicht so überrascht gewesen. Ich weiß jetzt, wo das Mineralwasser wohnt, und daß man oben in den Eifelwäldern bis zum Meer gehen kann, wenn der richtige Wind weht. Eine gelungene Wanderung.

17 Kommentare
  1. 12. Januar 2015 15:12

    Oh, wie schön! Da muß ich auch einmal hin.

    • 12. Januar 2015 19:57

      Oh, da würde ich glatt noch mal mitkommen.

  2. anglogermantranslations permalink
    12. Januar 2015 15:51

    Vielleicht war das vermeintliche Wildschwein auch nur ein verwilderter innerer Schweinehund?

    • 12. Januar 2015 19:59

      Wenn sie in verwildert weglaufen, wäre das ganz wunderbar.

    • anglogermantranslations permalink
      13. Januar 2015 1:59

      Und sie wären auf ewig unbesiegbar.

  3. 12. Januar 2015 16:23

    den Laacher See habe ich auch schon einige Male umrundet und wahrlich, es ist eine Superrunde, könnte gerade losmarschieren, aber bei so vielen Wildschweinen, ick wees ja nicht, ick wees ja nich ;)

    • 12. Januar 2015 20:01

      Es war nur ein ganz kleines, und wir waren in der Überzahl. Aber schön ist es da, ja. Nächstes Mal muß ich in den Klostergarten.

  4. 12. Januar 2015 19:45

    Ganz mein Motto…. ;-)

    • 12. Januar 2015 20:04

      Das ist ein kleiner Gruß! Auch wenn es da keine Kormorane gibt.

  5. 13. Januar 2015 13:32

    Herrlich!
    Mir ist mal eine ganze Rotte fast vor die Füße gelaufen – das war schon irgendwie beängstigend…

    • 13. Januar 2015 19:57

      Ja, viele Tiere sind stärker als wir — wehe, wenn sie keine Angst vor uns hätten …

  6. 14. Januar 2015 17:14

    Vielen Dank für diese schöne Berichterstattung. Ich schaue mit Sehnsucht auf meinen Rucksack. Alles wird gut werden.
    Regenböige Grüsse aus dem nässenden Bembelland

    • 21. Januar 2015 9:46

      Hoppla, Herr Ärmel — Sie hier, und vor so viel Tagen schon! Ich hoffe, Ihr Rucksack hatte mittlerweile Auslauf. Rucksäcke brauchen das; sonst werden sie unzufrieden und widersetzlich.

    • 21. Januar 2015 10:03

      Ich entbiete einen guten Morgen. Tja der Rucksack. Ich bin leidlich ungeduldig. Aber das lädierte Knie wird noch ein kurze Weile rekonvaleszent bleiben.
      Schöne Grüsse von der anderen Seite des Flusses

  7. 21. Januar 2015 0:06

    Sollte das Mineralwasser je nicht reichen, hätte ich da noch einen Tipp. Angeblich das zweitgrößte Reservoir Europas (‚ungeschützt‘ gesprochen). Ein schöner See-Gang!

    • 21. Januar 2015 9:47

      Ein Wandertip im Süden? Der ist auf meiner Landkarte noch vollkommen weiß. Immer her mit dem Mineralwasser; kann man nie genug von haben!

Trackbacks

  1. Wo das Mineralwasser wohnt | normalverteilt

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