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Gezeichnet

9. September 2013

Der umgekippte Tümpel stinkt, ein verhaltener, bitterer Hauch; zwischen den Bäumen glänzt er faulig. Ich zwinge mich, stehenzubleiben.

Nichts regt sich, nicht an seiner Oberfläche und nicht an seinem Rand; alles Leben ist geflohen. Und doch sind auf dem Wasserspiegel Zeichnungen zu sehen, Schnörkel und Krakel, Schlingen und Schwünge, kühne Striche auf der Algendecke.

Ich gehe in die Knie, folge so einer Linie mit den Augen, sie verläuft ungebrochen, und finde an ihrem Ende einen Falter. Weiß treibt er in einer schwarzen Ausweitung dieser letzten Bahn, die er zwischen Wasser und Luft gezogen hat.

Schnörkel im Algenschleim.

Schnörkel im Algenschleim.

Im Weitergehen verfolgt mich dieses tote Gewässer, darin die Spuren sterbender Falter, von keinem Tümpelwesen abgekürzt, und wie ich diese Spuren betrachte und denke: schön.

14 Kommentare
  1. karu02 permalink
    9. September 2013 14:10

    Sehr schön, gut gesehen.

    • 9. September 2013 16:47

      .) Und mit zugehaltener Nase fotografiert. — Danke!

    • karu02 permalink
      9. September 2013 17:05

      …das ist der Vorteil kleiner Kameras, die man auch mit nur einer Hand bedienen kann.

  2. 9. September 2013 15:07

    oh, vielleicht eine botschaft? nur leider verstehen wir die sprache nicht.

    wunderbar, dein text, liebe lakritze!

    • 9. September 2013 16:50

      Danke, Soso! Beim ersten Blick dachte ich wirklich, da habe jemand mit dem Stock aufs Wasser geschrieben. Wäre der Tümpel belebt gewesen, hätten die Falter nicht eine Pirouette fertig bekommen …

  3. 9. September 2013 18:02

    ja das ist bestimmt ein Garn-Text.

    • 9. September 2013 18:09

      Mh, da ist nichts mehr zu reparieren … Faden ab, sozusagen.

  4. 10. September 2013 8:31

    Wie kommts, dass der Tümpel diese merkwürdig weissliche Färbung hat? Bist du sicher, dass die „Linien“ von dem Kohlweissling stammen? Fragen über Fragen…
    Schöne Grüße vom Schwarzen Berg

    • 10. September 2013 9:44

      Oh, eindeutig umgekippt, der Tümpel. Links und rechts davon waren intakte. Grüße auf den Schwarzen Berg! Kann ja nicht kommentieren, gratuliere aber zum neuen Haarschnitt. .)

  5. 10. September 2013 15:01

    Haarschnitt kommt gut – den Reaktionen der Damen nach zu urteilen ;-)
    Mein Spamordner ist noch immer leer, du scheinst der einzige zu sein, der seine Kommentare bei mir nicht loswerden kann: schade…

  6. 10. September 2013 20:11

    Was für ein memento mori. Bin hin und her gerissen zwischen Rührung und ästhetischem Genuss. Was für eine schöne Linienzeichnung der Todeskampf des Falters schuf (wenn er es denn war).
    Und nur Dein Foto wird davon bleiben. Wenn auch nicht für ewig.
    Ein Chance image der besonderen Art. Ich mag das sehr.
    Gruß, Uwe

  7. 11. September 2013 13:39

    Da muss ich doch gleich an Christoph Ransmayr denken und seine chinesische Kalligraphen-Geschichte. Schreiben unter der Sonne: mit Wasser auf Stein. Schreiben im Wind: mit einem trockenen Pinsel im Sand.

  8. 12. September 2013 17:19

    Afra: ja, der häßliche Drilling unter diesen Schreib-Weisen. Schreiben im Tod: mit dem letzten Flügelschlag in Hypertrophie.
    Und, Uwe, insofern paßt das wieder ausgezeichnet. Danke!

  9. 15. September 2013 11:06

    Eine geheimnisvolle Zeichnung der Natur, ein bisschen Miró ist auch dabei. Traurig-schön!

Kommentare sind geschlossen.