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Lachen in der Kirche

8. Juni 2012

Vor dem Museum des Mainzer Doms St. Martin steht ein Plakat: Seliges Lächeln und höllisches Gelächter, eine Ausstellung zum Thema Lachen in der Kirche. Für fünf Euro wird man drinnen in den Keller geschickt – den Witz lassen sie sich nicht nehmen –, und da sind dann Kunstwerke vom Mittelalter bis in die Neuzeit versammelt, die die Einstellung der Geistlichkeit zum Lachen illustrieren. Eine kleine, sehenswerte Sache. (Kurzfassung: heißes Eisen! Höchstens ohne die Zähne zu zeigen; besser: Weinen.)

Dem Keller entstiegen, war ich erfreut, aber noch nicht ganz sattgesehen. Glücklicherweise gilt die Eintrittskarte auch für Domschatz und Kreuzgang – also los.

Im Erdgeschoß: der Domschatz. Werte halten sich schlecht über die Jahrhunderte (Reformation! Dreißigjähriger Krieg!); das, was noch da ist, glitzert und gleißt und zeigt wenig Potential für Humor.

Im ersten Stock: Heilige. Aus Holz, Stein, Elfenbein, gemalt. Christus am Kreuz, mal mehr, mal minder drastisch und einmal ab 18. Thronend neben Gottvater (wie war denn das mit dem Bildnisverbot?); enorme Ähnlichkeit, nur kürzerer Bart. Dann Heilige, gern mit Attributen ihrer Marter: die hl. Barbara mit dem Turm, in den man sie sperrte; der hl. Pantaleon mit auf die Schädeldecke genagelten Händen. Zwei Jugendstilmadonnen (auch das etwas, das ich nicht kannte). Viel Grausiges, viel Trauriges, aber zum Lachen wenig.

Fündig wurde ich dann im Kreuzgang. Da es mir widerstrebt, auf Bischöfe zu treten, nur weil ihre Grab- die Bodenplatten sind, ging’s im Slalom durch das gotische Gewölbe. Blick nach hinten: Slalom steckt an! Ha! Und dann, neben dem Ausgang, entdeckte ich ihn:

Statue St. Alban

St. Alban von Mainz.

Der Legende nach trug St. Alban sein abgeschlagenes Haupt bis zu der Stelle, an der er beerdigt werden wollte. Hier hat er jedenfalls ein hübsches Plätzchen gefunden.

19 Kommentare
  1. 8. Juni 2012 23:40

    Typisch katholische Kirche -wenn man schon über wandelnde Heilige mit dem Haupt unter dem Arm lachen muss…
    Dann doch lieber gleich in eine der netten Weinstuben um die Ecke.

    • 9. Juni 2012 12:41

      Die katholischen Heiligen fand ich schon immer faszinierend, aber wenn solch eine Ausstellung die Gedanken in gewisse Bahnen lenkt, steigt die Faszination noch einmal beträchtlich …

  2. 9. Juni 2012 1:24

    War’s nicht in „Der Name der Rose“, wo einer der Mönche das Lachen für eine äußerst teufliche Sache hielt?
    Gab’s da Fotografierverbot, in der Sonderausstellung?

    • 9. Juni 2012 12:50

      »Der Name der Rose« leitet die Ausstellung ein; Aristoteles mit dem Lachen als einem (dem?) Kriterium fürs Menschliche und die Kirchenväter, die im Lachen den Teufel am Werke sahen. Lacht Gott? Hat Christus (als Mensch) gelacht? — all die Fragen.
      Und Fotos waren verboten, leider. Reglindis von den Naumburger Stiftern etwa steht in dieser Ausstellung in einem ganz neuen Licht da.

    • 11. Juni 2012 15:44

      Reglindis fand ich neben der elegischen Uta immer etwas… (Verzeiht, Frau Reglindis, es ist nicht böse gemeint..) dümmlich lächelnd. Wie haben sie sie denn in der Ausstellung dargestellt?

    • 11. Juni 2012 16:03

      Sie haben einen Abguß von ihr mit der Anmerkung, daß sie für eine Adlige schon ganz schön breit grinst (die Figur stammt aus der Zeit, wo Lachen gerade nicht ganz des Teufels war); was aber fast unanständig ist: sie schlägt die Augen nicht nieder! Das gehörte sich wohl als Mindestanforderung fürs sozialverträgliche Lachen.

  3. 9. Juni 2012 2:19

    Seliges Lächeln, darf man. Gelächter ist scheinbar immer noch höllisch? Durfte man wenigstens im Keller lachen?
    LG

    • 9. Juni 2012 12:53

      Es ist äußerst, naja, erstaunlich zu sehen, wie eines der Urbedürfnisse der Menschen jahrhundertelang verdrängt wurde. Wie alles Komische eben auch traurig …

  4. 9. Juni 2012 2:45

    oh wie viele Sekunden des Lebens wurden wieder verschenkt ohne Lächeln?

  5. haushundhirschblog permalink
    9. Juni 2012 9:41

    Ein seliges Lächeln … aber erst, wenn das irdische Jammertal durchschritten war. So hat es über Jahrhunderte funktioniert.
    Aber auch ohne Lachen, Mainzer Dom und Museum sind immer einen Besuch wert.

    • 9. Juni 2012 13:05

      Irgendwo in der Ausstellung stand, im Mittelalter habe Weinen einen höheren Stellenwert gehabt als Lachen. Ich mag gar nicht anfangen mir vorzustellen, was das für ein Lebensgefühl gewesen sein muß.
      Ja, der Dom ist ein Prunkstück! Passend zur Stimmung nach der Ausstellung: vor gut tausend Jahren wurde er in nur 20 Jahren errichtet — und brannte am Tag vor der Weihe ab. Ganz pragmatisch fing man sofort wieder an zu bauen …

  6. 9. Juni 2012 10:32

    Na, ob St. Alban in dieser Situation zum Lachen zumute war… Witzige Idee, zum Lachen in den (Kirchen)keller zu gehen, doch irgendwie passend…

    • 9. Juni 2012 13:08

      Ich habe gelesen, eine der wenigen Situationen, in denen das Lachen sozusagen den Segen der Kirche hatte, war das Martyrium. Da diente das Lachen der Gemarterten zur Verhöhnung der Feinde des Glaubens … Kaum zu fassen.

  7. 9. Juni 2012 16:08

    Liebe Lakritze, ich glaube das hast Du erfunden. In der katholischen Kirche gab es noch nie etwas zu lachen.

    • 9. Juni 2012 16:18

      Schau Dir die Ausstellung an – Du wirst alle möglichen Arten des Lachens durchleben, vom ungläubigen bis hin zum entzückten. ,)

  8. karu02 permalink
    9. Juni 2012 21:58

    …auf den Schädel genagelte Hände? Nun, die Katholiken haben sich doch immer ganz ausgefallene Späße einfallen lassen.

    • 9. Juni 2012 22:08

      Was da an Bildnissen rumsteht, ist in einigen Fällen wirklich ab 18; ich mußte ein paar Mal doch schlucken. Muß irgendwie mit Katharsis zusammenhängen. Daß noch keine Eltern geklagt haben, erstaunt.
      (Ich habe noch nicht herausgefunden, wer der Heilige ist, dem sie die Därme auf eine Spindel gewickelt haben …)

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