Fahrräder in Göttingen
1. Juni 2012
Die niedersächsische Stadt Göttingen ist bewohnt von etwa hundertfünfzig- bis zweihunderttausend Fahrrädern. Sie finden sich auf öffentlichen Plätzen zu riesigen Herden zusammen und bilden charakteristische, nahezu unentwirrbare Dickichte. Domestizierte Exemplare leben in Kellern und Verschlägen; die meisten jedoch verbringen den größten Teil des Jahres unter freiem Himmel, wo sie mit der innerstädtischen Flora um Lebensraum konkurrieren.
Alles über Fahrräder (und wie es dazu kommen konnte) findet sich bei Flann O’Brien: The Third Policeman — deutsch von Harry Rowohlt: Der dritte Polizist.
Eins gehört mir! Besonderes Kennzeichen: Seit 1992 nicht mehr benutzt.
Das ist bestimmt eine untrennbare Symbiose mit einem umwucherten Zaun eingegangen oder wurde stückweise von Überflüssigem wie dem Vorderrad, der Klingel oder dem Sattel befreit.
P11, das ist sicher noch da. Ganz unten in einem Haufen von anderen Rädern aus ungefähr der gleichen Zeit — müßte man mal Ausgrabungen machen …
Rich, ich war überrascht, wie viele Räder da gar nicht so übel aussehen für ihr Alter. Ich glaube, die Göttinger klauen keine Ersatzteile, sondern kaufen sich einfach ein neues Fahrrad. Das alte vergrößert den Haufen.
Vielleicht treiben sie es in den Büschen zwecks Vermehrung. Dann gibts Kinderräder.
Wow, vielleicht sollte jemand Kondome austeilen. Ein nahezu unsittliche Fahrradpopulation.
Karu, Kinderräder sah ich erstaunlich wenige; die meisten sind mindestens schon im Studentenalter. Vielleicht vermehren sich Fahrräder über Ableger?
Kormoran, und sie sind ü-ber-all! Wie solche Verhüterli wohl aussehen? Tüten überm Sattel habe ich schon gesehen, dachte aber, die hätten was mit Regenschutz zu tun.
Noch eine hübsche Geschichte: Am Leinekanal stand ein Mann mit einer, naja, Leine mit selbstgebasteltem Haken. Man hatte ihm vor ein paar Tagen ein Fahrrad geklaut, und er suchte jetzt danach. Das Rad, das er schließlich aus dem Wasser zog, war aber das falsche.
Wird Fahrradklau in Niedersachsen etwa mit derart drakonischen Strafen geahndet, dass sich keiner mehr traut?
Wahrscheinlich ist es einfach zu mühsam, ein Fahrrad aus der Mitte des Gewirrs zu entfernen. Geklaut wird höchstens am Rand; wenn ein Rad in der Mitte steht, dann bleibt es da und intakt.
Aber leider kommt man dann nicht mehr ran…
Die Stadt räumt momentan die größten Fahrradhaufen. Es wird ein Gebiet abgesteckt (vielleicht 8×8 Meter), ein Schild drangehängt: Räder wegfahren, am soundsovielten werden sie sonst entfernt, am Stichtag passiert eben das, und die frisch gewonnene Fläche wird dann schnell eingezäunt. Bevor wieder jemand Räder abstellt. Auf die Weise wird der Bahnhofsvorplatz in ein paar Jahren radfrei sein.
Ich frage mich nun, was mit all den Fahrrädern passiert …? Da sind bestimmt Antiquitäten dabei.
Ach du liebes Bisschen! Lauter Findelfahrräder? Sagenhaft.
Das Bild zeigt nur einen kleinen Teil. Ehrlich, ich glaube, Göttingen könnte jeden einzelnen seiner Bürger mit Werk- und Sonntagsfahrrad ausstatten.
Mon Dieu, was für eine Verschwendung!
Wir dachten immer, dass Münster die Fahrradhauptstadt der Republik wäre. Aber anscheinend kann da Göttingen locker mithalten. Die vielen Studenten in beiden Städten müssen sich ja auch fortbewegen können, vielleicht eine Form des Radsharings …
Ich finde, sie sollten aufhören, ihre Räder abzuschließen. Das wäre nützlich, und außerdem ein interessantes soziales Experiment.
Haben die keine Fußgänger?
Nur Radfahrer, die grad irgendwo parken …
Ich frage mich, ob die Besitzer der Räder in der Mitte je wieder gesehen wurden. Wer weiß, was beim Räumen alles zum Vorschein kommt.
Also, das Leichenversteck für den Göttinger Lokalkrimi wäre hiermit schon verraten. .)
Das sieht ja wüster aus als in Freiburg und Münster! Wow!
Ja, beeindruckend. Wenn’s woanders weniger wüst aussieht, dann vielleicht deshalb, weil es da nicht lauter Einweg-Räder sind –?